Parkplatzmangel auf der Autobahn - lebensgefährlich
Veröffentlicht: Montag, 03.06.2024 06:13
Am Niederrhein und im Ruhrgebiet fehlen tausende Parkplätze. LKW-Fahrer Hartmut packt aus, wie hart der Kampf um die begehrten Parkplätze ist. Ein neuer geplanter Autohof am Kreuz Kaiserberg sorgt für Kritik.
LKW-Fahrer Hartmut: "Es ist eine Katastrophe!"
"Es ist ne Katastrophe, ganz ehrlich!" Das sagt Hartmut, 63 Jahre alt, der in Niedersachsen lebt und für eine Spedition in Witten deutschlandweit mit dem LKW unterwegs ist. Unter der Woche schläft er in seinem LKW. Seine Schicht beginnt meist um 4 Uhr früh - am Nachmittag sucht er sich dann einen Rastplatz zum Schlafen. "Wenn man bis 17 Uhr keinen Parkplatz gefunden hat, dann hat man verloren", sagt Hartmut.
Die Parkplatz-Not sei so groß, dass viele Fahrer einfach in der Ein- oder Ausfahrt des Rastplatzes stehenblieben - lebensgefährlich. Und auch Autofahrer würden immer mal wieder wertvolle LKW-Plätze blockieren. "Wenn man wirklich knapp mit der Zeit ist, und dann steht da ein PKW... Die passen ja auch in kleinere Ecken rein, die müssen nicht unbedingt nen großen LKW-Platz blockieren", findet Hartmut, der seinen Job gerne macht - seit 2011 ist er LKW-Fahrer, vorher hat er auf dem Bau gearbeitet.
Autohof nahe Mülheim könnte neue Stellplätze bringen - Anwohner dagegen
Schon seit vielen Jahren wird über einen neuen Autohof am Kreuz Kaiserberg an der A40 diskutiert - auf Duisburger Stadtgebiet, direkt an der Grenze zu Mülheim. Jetzt werden die Pläne wieder aktuell: Ein Investor will direkt an der Ruhrorter Straße, zwischen Rhein-Herne-Kanal und A40, einen großen Autohof bauen. Mit 50 LKW-Stellplätzen und 30 Parkplätzen für Autos. Eine Tankstelle mit Shop ist ebenso geplant wie ein mehrgeschossiges Hotel. Der Rat der Stadt Duisburg hat im April grundsätzlich grünes Licht für weitere Planungen gegeben.
Aber: Nicht alle sind begeistert vom neuen Autohof im Kreuz Kaiserberg. Kathi Bucchi und Bernd Burichter aus Mülheim haben eine Petition gegen die Pläne gestartet, schon über 1.500 Menschen haben unterschrieben. "Wir sind nicht gegen LKW-Fahrer, überhaupt nicht", sagt Bernd Burichter. Aber der Autohof sei zu klein, um wirklich einen Effekt zu haben. Von den 50 LKW-Plätzen seien die meisten nicht einmal kostenlos - die LKW-Fahrer müssten für die Übernachtung bezahlen. Das bestätigt uns auch die Stadt Duisburg auf Anfrage: Es handle sich um einen eingezäunten "Hochsicherheitsparkplatz", die Kosten pro Übernachtung würden auf die Nutzer umgelegt. Die Stadt Mülheim will sich offiziell noch nicht zu den Autohof-Plänen äußern.
Bernds Vermutung: Viele LKW dürften bald durch die angrenzenden Wohngebiete schlängeln. Diese Sorge teilt auch Kathi Bucchi: "Unsere Kinder können nicht mehr auf der Straße spielen, weil da LKW herbrettern." Bernd befürchtet außerdem, dass sich der bestehende Straßenstrich vom Duisburger Zoo noch ausbreitet - in das geplante Hotel: "Gehobener Straßenstrich" nennt er das. Die Alternative der beiden Mülheimer: Schon vorhandene Flächen am Duisburger Hafen bzw. am Logport nutzen, also dort, wo sowieso viele LKW-Fahrer Pause machen wollten. Dort müsse dann die entsprechende Infrastruktur her, also zum Beispiel auch Toiletten und Duschen für die Fahrer.
Unterwegs mit der Autobahn-Polizei auf LKW-Kontrolle
Polizeihauptkommissar Christian Freidl von der Autohahnpolizei Düsseldorf kontrolliert regelmäßig LKW - heute auf einem Parkplatz an der A40 am Niederrhein. Immer wieder kommt es durch falsch parkende LKW - zum Beispiel an Auf- und Abfahrten - zu gefährlichen Situationen, weiß Christian Freidl. "Vor kurzem wollte sich hier ein LKW-Fahrer an der Böschung hinstellen. Der ist dann rückwärts reingerutscht und umgekippt." Zum Glück sei nichts passiert - der LKW habe Gefahrgut geladen. Vor einiger Zeit sei aber ein LKW mit einem falsch parkenden Laster vor der Auffahrt kollidiert - ein Mensch sei dabei ums Leben gekommen.
Die Situation sei insgesamt "katastrophal", so der Autobahnpolizist. Aber, auch wenn er nicht auf Strafen verzichten könne: "Ich bin empathisch mit den LKW-Fahrern." Sein Appell an die Fahrer: Vernünftig sein, rechtzeitig einen Parkplatz suchen, notfalls auch abseits der Autobahn. "Es ist euer Leben und das der anderen, das ihr gefährdet."
Wie groß ist das Parkplatz-Problem wirklich?
Insgesamt gab es in NRW laut Bundesanstalt für Straßenwesen 2018 rund 9.700 LKW-Parkplätze - rund 3.800 Parkplätze fehlten demnach. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Laut ADAC ist die Situation auch heute noch sehr angespannt. Weil immer noch viele LKW-Parkplätze fehlen, komme es immer wieder zu gefährlichen Situationen auf und an Rastplätzen. ADAC-Mitarbeiter haben vor zwei Jahren 18 Rastplätze in LKW kontrolliert - bei 13 Parkplätzen hat der ADAC schwerwiegende Verstöße festgestellt, zum Beispiel parkende LKW in der Ein- oder Ausfahrt. Dahinter stecke die "pure Verzweiflung" der LKW-Fahrer, erzählt uns ADAC-Sprecher Thomas Müther im Interview. Es komme hier immer wieder zu schrecklichen Unfällen. LKW-Fahrer bräuchten zu lange, überhaupt einen Stellplatz zu finden.
Je länger die Suche dauere, desto mehr nehme die Konzentration ab. Übermüdung sei neben zu geringem Abstand und Ablenkung eine der drei Hauptursachen von LKW-Unfällen, so Thomas Müther vom ADAC. Er appelliert deshalb an uns Autofahrer, Verständnis für die LKW-Fahrer aufzubringen. Hinter Falschparkern stecke oft die pure Verzweiflung - und ein großes Problem: die Parkplatznot auf Autobahnen am Niederrhein und im Ruhrgebiet.
Smarte Lösungen gegen die Parkplatz-Not bei uns
LKW-Fahrer Hartmut Wessling übernachtet regelmäßig am Niederrhein und im Ruhrgebiet - und nutzt dafür auch eine spezielle App. Mit der Kravag-App können Speditionen ihre Firmen-Parkplätze über Nacht für LKW-Fahrer freigeben. Die Fahrer können die Stellplätze per App buchen. Auf den Firmengeländen stehen dann Toiletten und meist auch Duschen zur Verfügung. So werden Flächen, die sonst mehr oder weniger leer stehen würden, für LKW genutzt. Und LKW-Fahrer können durch die bequeme Buchung vorab sicher sein, noch einen Parkplatz zu bekommen. Stellplätze über die Kravag-App gibt es zum Beispiel an der A40 in Duisburg-Homberg, am Stadthafen in Gelsenkirchen und an der A42 in Herne.