Macron ernennt Lecornu erneut zum Premier

Sébastien Lecornu
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Regierungskrise

Paris (dpa) - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den zurückgetretenen Premier Sébastien Lecornu überraschend erneut zum Regierungschef ernannt. Wie der Élysée-Palast mitteilte, soll der 39-Jährige nach seinen Bemühungen zur Lösung der Regierungskrise als Premier weitermachen und ein neues Kabinett zusammenstellen.

Lecornu, der ein besonders enger Vertrauter Macrons ist, war erst vor vier Wochen als Premier angetreten und hatte nach regierungsinternen Spannungen am Montag sein Amt niedergelegt. Macron hatte ihn danach beauftragt, binnen zwei Tagen einen Ausweg aus der Krise auszuloten.

Lecornu sieht Ausweg aus Krise

Lecornu war nach Gesprächen mit den Parteien überzeugt, dass ein Ausweg aus der Politikkrise in Frankreich ohne eine Neuwahl des Parlaments möglich sei. Es gebe eine «sehr relative Mehrheit» mehrerer politischer Gruppierungen, einschließlich der linken Opposition, die sich auf einen Haushalt und Stabilität verständigen wollten. 

«Wir müssen dieser politischen Krise, die die Franzosen verärgert, und dieser Instabilität, die dem Image Frankreichs und seinen Interessen schadet, ein Ende setzen», sagte Lecornu nach seiner Ernennung. «Die Sanierung unserer öffentlichen Finanzen bleibt eine Priorität für unsere Zukunft und unsere Souveränität: Niemand kann sich dieser Notwendigkeit entziehen.»

Opposition kündigt Misstrauensantrag an

Frankreichs Linkspartei La France Insoumise (LFI) und das rechte Rassemblement National (RN) kündigten unverzüglich ein Misstrauensvotum gegen den wieder ernannten Premier an. «Die Regierung Lecornu II, die von einem mehr denn je isolierten und realitätsfernen Emmanuel Macron im Élysée-Palast ernannt wurde, ist ein schlechter Witz, eine demokratische Schande und eine Demütigung für die Franzosen», schrieb RN-Chef Jordan Bardella auf X. Von einer lächerlichen Komödie sprach LFI-Anführer Jean-Luc Mélenchon.

Mit dem Festhalten an seinem Gefolgsmann Lecornu hat Präsident Macron sich abermals gegen Rufe durchgesetzt, einen Regierungschef aus dem linken Lager oder einen eher abseits des aktuellen Politikbetriebs stehenden Experten zu ernennen. Trotz des guten Abschneidens der linken Parteien bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 hatte Macron danach mit dem Konservativen Michel Barnier und dem Mitte-Politiker François Bayrou Regierungschefs ernannt, die dem linken Lager fernstehen. 

Unterstützung von politischen Gruppierungen

Zwar hatte Lecornu zuvor gesagt, er wolle nicht als Premier weitermachen. Aber als enger Vertrauter des Präsidenten konnte er dessen Wunsch «aus Pflichtgefühl», wie er sagte, nicht abschlagen. Ein Vorteil ist, dass Lecornu nach seinen intensiven Beratungen mit den Parteien möglicherweise auf eine Unterstützung einer ausreichend großen Zahl von politischen Gruppierungen wird bauen können.

Auf jeden Fall steht der wieder ins Amt zurückgeholte Premier unter Zeitdruck, denn wenn das hoch verschuldete Frankreich noch rechtzeitig einen Haushalt für das kommende Jahr auf den Weg bringen möchte, muss dieser spätestens bis zum kommenden Montag ins Parlament eingebracht werden, und zwar vom Premier. Das sehen verfassungsrechtliche Fristen vor. Wenn dies nicht gelingt, würde dies das politisch ohnehin gelähmte Land noch weiter blockieren und wirtschaftlich behindern.

Am Streit über den Haushalt waren Lecornus zwei Vorgänger im Präsidentenamt gescheitert. Michel Barnier überlebte einen Misstrauensantrag nicht und Bayrou verlor eine Vertrauensfrage. 

Erfolgsaussichten sind offen

Ob Lecornu im zweiten Anlauf nun erfolgreicher sein wird, sowohl bei der Suche nach einem Konsens in Haushalts- als auch anderen drängenden politischen Fragen ist offen. Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist das Parlament in unterschiedliche politische Blöcke geteilt, die jeweils keine regierungsfähige Mehrheit besitzen, aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden und sich gegenseitig blockieren. Koalitionen wie etwa in Deutschland sind in Frankreich unüblich.

Frankreich hat gemessen an der Wirtschaftsleistung mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.

Nötig ist also ein Sparhaushalt, aber das zerstrittene Parlament ist sich uneins, ob die Finanzen mit Einschnitten oder der Schaffung weiterer Steuern etwa für besonders wohlhabende Menschen wieder ins Lot gebracht werden sollen.

© dpa-infocom, dpa:251010-930-148584/3

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